Heller: Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland

Heller: Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland

Wilfried Heller (Hrsg.)
Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland
Mit Beiträgen von Stanislav Děd,Eva Doležalová, Wolf-Dieter Hamperl, Tomáš Kraus, Werner Pöllmann, Sebastian Schott und Blanka Soukupová
165 Seiten und 46 Abbildungen, Format A5
ISBN: 978-3-945127-261
13,90

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Dieses Buch geht den jüdischen Spuren im ehemaligen Sudetenland nach. Die Autoren beschreiben für ausgewählte Städte und Bezirke, was übrig geblieben ist von der jüdischen Gemeinschaft, die zu den kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen ihrer Heimat einen Beitrag geleistet hat, der ihre zahlenmäßige Größe bei weitem überstieg.


Rund 120.000 Juden lebten in den 1920er Jahren in Böhmen, Mähren und Mährisch-Schlesien, also im Gebiet der heutigen Tschechischen Republik. Die weitaus meisten waren deutschsprachig und etwa 25.000 von ihnen lebten im deutsch besiedelten Grenzland, das im Oktober 1938 als „Sudetenland“ dem Deutschen Reich zugeschlagen wurde. Die Folgen waren dramatisch: Fast 90% der Juden im Grenzgebiet flohen überstürzt ins tschechische Landesinnere, um bereits im März 1939 ihren Verfolgern erneut in die Hände zu fallen. Nur wenigen Tausend gelang die Emigration oder ein Überleben in Lagern oder Verstecken, mit falschen Papieren oder in Ehen mit Nichtjuden.

Die „Egerer Gespräche“ 2017 befassten sich mit dem Thema „Jüdische Spuren im Gebiet des ehemaligen Sudetenlandes“. Seit 1998 werden die in Eger (Cheb) stattfindenden, internationalen Tagungen vom „Bund der Egerländer Gemeinden“ (BdEG) und seinem Bundeskulturwart organisiert. Das Symposium 2017 fand vom 6. – 8. Oktober statt und hatte eine gute Resonanz. Gefördert wurde die Tagung dankenswerter Weise von der Bayerischen Staatsregierung für Arbeit und Soziales, Familie und Integration.

Die wissenschaftliche Leitung lag wie schon 2016 bei Prof. Dr. Wilfried Heller (Prof. em. Universität Potsdam, Lehrstuhl für Sozial- und Kulturgeographie, Migrationsforschung), der gemeinsam mit mir das Programm gestaltet hat.

Leider hat man es lange versäumt, sich intensiver mit den jüdischen Gemeinden in den sudetendeutschen Ortschaften zu befassen. Jahrhunderte lang lebte man meist friedlich zusammen. Im September 1938 mussten die meisten sudetendeutschen Juden aus der gemeinsamen Heimat ins Landesinnere fliehen, um ihr Leben zu retten. Die Verbleibenden wurden zum großen Teil über Theresienstadt nach Auschwitz in den Tod geschickt. Nur wenige kamen 1945 in ihre Heimatorte zurück. Mehr als 70 Jahre sind seither vergangen. Heute künden meist nur noch Friedhöfe von ihrer Existenz.

Prof. Dr. Wilfried Heller befasste sich in seinem Einführungsreferat mit den Zahlen der jüdischen Gemeinden und ihren Mitgliedern im Sudetenland und in Innerböhmen. Er entwickelte außerdem Fragestellungen, die bei der Beschäftigung mit „Spuren“ erkenntnisleitend sein können. Dabei plädierte er für eine wissenschaftlich-systematische Reflexion über diesen Begriff der Alltagssprache und skizzierte weitere Forschungsfragen bei der Suche und Untersuchung von Spuren, wie sie Gegenstand dieses Buches sind.

Petr Brod sprach über das Schicksal jüdischer Denkmäler in der ehemaligen ČSSR und ließ keinen Zweifel daran, dass die Schäden unter vierzig Jahren Kommunismus immens waren. Über den Verlust der vielen großen Synagogen in den Städten des Sudetenlandes nach 1938 und über die heutige Situation der jüdischen Gemeinden in der ČR berichtete Dr. Tomáš Kraus. Dr. Eva Doležalová erinnerte an sie Anfänge der jüdischen Gemeinde in Eger und ihr Schicksal im Mittelalter. Dr. Sebastian Schott ging auf den speziellen Bau der Synagogen in der Oberpfalz und in Westböhmen ein. Über die jüdischen Friedhöfe im ehemaligen Bezirk Tachau, in Eger und Steingrub (Lomnička) bei Franzensbad (Františkovy Lázně) berichteten Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Dr. Karl W. Schubsky und Werner Pöllmann. Eine Bilanz über den Umgang mit jüdischen Spuren in Komotau (Chomutov) und den jüdischen Museumsbeständen dort zog Dipl-Ing. Stanislav Děd. Dieses Buch enthält außerdem einen Beitrag von DozDr. Blanka Soukupová über die jüdischen Hinterlassenschaften im Grenzgebiet der böhmischen Länder in ihrer Entwicklung seit dem Jahre 1938. Als Autorin hat sie dankenswerterweise Petr Brod vorgeschlagen obwohl sie nicht Referentin auf der Tagung war. Sein eigener Schlussbeitrag auf der Tagung beschrieb die Geschichte seiner Familie im böhmisch-sächsischen Grenzgebiet. Alle Teilnehmer fühlten sich am Ende des Tages abgerundet über das Thema informiert und sprachen von einem gelungenen Symposium. Diesen Eindruck verstärkte die Exkursion vom Sonntag. Unter Leitung von Dr. Karl W. Schubsky besuchten wir die jüdischen Friedhöfe in Amonsgrün (Úbočí) und Königsberg (Kynšperk nad Ohří) und die Gedenktafeln, die heute an den Friedhof und die Synagoge in Eger erinnern.

Ich danke den Autoren, dass sie ihre Tagungsbeiträge für diese Veröffentlichung zur Verfügung gestellt haben, Herrn Prof. Heller für die hervorragende Bearbeitung dieser Texte und dem Verleger Konrad Badenheuer für die Schlussredaktion mit nochmaliger, sorgfältiger Durchsicht aller Texte und für die qualitätsvolle Drucklegung.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Roland Berndt in Ansbach für die großzügige Unterstützung dieser Publikation.

München / Altenmarkt, im August 2018

Dr. Wolf-Dieter Hamperl

Bundeskulturwart des BdEG, Kulturreferent der Bundes-SL und Vorsitzender des „Heimatkreisvereins Tachau e.V.“

1. Einführung

Wilfried Heller: Einführung – Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland.

2. Zur jüdischen Geschichte des Egerlandes

Eva Doležalová: Geschichte der jüdischen Bevölkerung von Eger (Cheb) im Mittelalter

Werner Pöllmann: Spuren jüdischer Binnenmigration in Böhmen am Beispiel von Steingrub (Lomnička) und Franzensbad (Františkovy Lázně) im Egerland

3. Jüdische Spuren sowie Träger und Maßnahmen für ihren Schutz im Gebiet der heutigen Tschechischen Republik

Blanka Soukupová: Jüdische Spuren in der Grenzregion der Böhmischen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg

Tomáš Kraus: Zu Aufgaben, Maßnahmen, Problemen und Erfolgen der jüdischen Gemeinden in der Tschechischen Republik seit den 1990er Jahren

4. Jüdische Gemeindehäuser, Synagogen und Friedhöfe in der östlichen Oberpfalz und im Egerland

Sebastian Schott: Jüdische Gemeindehäuser und Synagogen in der östlichen Oberpfalz (in Floß und in Weiden) und im angrenzenden Westböhmen (Tachau [Tachov] und Schönwald [Lesná])

Wolf-Dieter Hamperl: Jüdische Spuren im ehemaligen politischen Bezirk Tachau (Tachov)

5. Schicksal einer jüdischen Persönlichkeit und ihrer Familie

Stanislav Děd: Dr. Richard Goldmann und seine Botschaft für uns

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Die Bilder auf dem Einband zeigen die 1871/72 errichtete Synagoge in Jägerndorf (Krnov) in Österreichisch-Schlesien. Sie blieb im Pogrom der Reichskristallnacht vom November 1938 als eine von wenigen Synagogen im Sudetenland unzerstört. Möglich wurde das, weil auf Initiative des Jägerndorfer Bauunternehmers und Stadtrats Franz Irblich (1905-1960) in den Tagen zwischen dem Münchner Abkommen (30.9.1938) und dem Eintreffen der Wehrmacht in Jägerndorf (7.10.) eilig alle jüdischen Symbole von dem Gebäude entfernt und es zur Markthalle umfunktioniert wurde. Auch die Thorarollen und weitere Kultgegenstände konnten gerettet werden. Nach Kriegsende und Vertreibung der Deutschen aus Jägerndorf 1945/46 diente der Bau dem tschechoslowakischen Staat zunächst als Depot, dann als Bezirksarchiv. 1994 wurde die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Olmütz zurückgegeben und später umfassend saniert.